Sonntag, 6. September 2020

“Kinderarbeit“

 Da soll noch einer sagen, wir wären ein arbeitsscheues Volk gewesen. Ganz im Gegenteil, konnte es der Arbeiter- und Bauernstaat gar nicht abwarten, uns Kinder der DDR an der Arbeit für das Gemeinwohl zu beteiligen.


(So nah und doch so fern... Nach vielen Jahren zu Besuch in meinem Schulgarten.)

Schon in den ersten Schuljahren brachte man uns Vorteil, Nutzen und Handhabung der Obst-/Gemüsegewinnung näher und jagte uns in den riesigen Schulgarten der Stadt.  


(Der alte “Händewaschbrunnen“ steht noch immer an seinem angestammten Platz!)

Nicht nur, dass Schulgarten als Unterrichtsfach angelegt war, nein, selbst in den großen Sommerferien mussten wir zwei Wochen lang pflanzen, jäten und ernten. Ich habe es gehasst. Kaum zu glauben, dass sich das gärtnerische Wirken später zu einem meiner liebsten Hobbys entwickeln würde.

Erst nach der Wende wurden wir um eine der unzählig auf uns niederprasselnden Erkenntnisse reicher, dass wir mit der unbezahlten Arbeit im Schulgarten den täglichen Bedarf an Obst und Gemüse der Bevölkerung unserer Stadt sicherten. Na wenn das mal kein Kapitalismus war...

Ein weiteres Unterrichtsfach in späteren Jahren hieß PA: Produktive Arbeit. Hierzu wurden die Schüler unserer Klasse nach Fähigkeiten eingeschätzt und auf produktive Zweige der heimischen Wirtschaft verteilt. Ich landete in der LPG-T (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft Tierhaltung) im Bautrupp. Na toll... Zumindest wusste ich nun, wie man einen Betonmischer bedient und mit dem angerührten Mörtel eine Schweinestallbucht verputzt...

Ja, die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften prägten das berufliche Bild unserer Region. So durften wir uns außerdem, nach Erreichen der Fahrtüchtigkeit eines langstreckenerprobten Fahrrades, später Moped, auch an so schönen Aktivitäten wie Steine- und Kartoffelsammeln sowie Rübenhacken erfreuen. Hat man hierbei die riesigen Agrarflächen der DDR vor Augen, kommt einem die Durchquerung der Wüste wie ein Spaziergang vor.


Unvergessen die “Einberufung“ in das Arbeitslager (ja, das hieß wirklich so!) im Jahre 1987. Damals ging es für volle zwei Wochen in den Sommerferien zum Erdbeerpflücken an die Wohlenberger Wiek. Zwei Wochen im Hochsommer auf riesigen Erdbeerplantagen unter der Aufsicht der erbarmungslos brennenden Sonne...und des Erntebeauftragten der Anlage... Ein kleiner Trost war die allabendliche Erfrischung in der naheliegenden Ostsee und die Gemeinschaft des über Jahre gewachsenen Klassenverbandes.


All diese Tätigkeiten zum Wohle der Gemeinschaft haben uns damals sicherlich nicht geschadet, zumal es gerade in der Feldarbeit auch etwas Geld zu verdienen gab. Die DDR hat es verstanden, einen Großteil seiner Bevölkerung über Gemeinschaftsprojekte in Form von Arbeit, Kultur und dies auch in der Freizeit zu vereinen, was bis heute in der Rückschau als Zusammenhalt untereinander positiv erinnert wird.


So, und die nächste Geschichte wird dann mal wieder etwas weniger staatstragend. Versprochen!