Samstag, 19. März 2022

Kewpie und Scootly

 Wenn man denkt, das Maß müsste nun so langsam voll sein, wird Mensch nicht allzu selten eines Besseren belehrt. Und nein, ich fange gar nicht erst an, diese Pandemie zum wiederholten Male zu verteufeln, erst recht nicht, mich über einen profilneurotischen Vollpfosten und dessen Aktionen aus dem Land der Zwiebeltürme aufzuregen...


Stattdessen habe ich diese beiden Wonneproppen vor die Kamera gezerrt, in der Hoffnung, dass sie einzig durch ihre freche, verschmitzte und auch süße Ausstrahlung ein kleines Lächeln zu zaubern vermögen, sei es nur für einen kleinen Moment in turbulenten Zeiten.

Die beiden Schelme sind an die einhundert Jahre alt, haben amerikanische Wurzeln und schon so einige Wirren der Zeit überlebt. Nun haben sie ihr Zuhause in Mecklenburg gefunden und scheinen mit Schalk im Nacken allem Übel zu trotzen.

Das ist ein Kewpie (abgeleitet vom römischen Gott Cupido), hergestellt im thüringischen Ohrdruf nach Entwürfen der Amerikanerin Rose O'Neill.

Und das ist Scootly, eigentlich Scootles, ebenfalls ein Geschöpf von Rose O'Neill. Diese Puppe ist ein waschechter Ami, hergestellt in der Cameo Doll Company, New York.


Wenn man diese beiden vor Augen hat, ist es naheliegend, sie bei allen erdenklichen Streichen ablichten zu wollen. Ich muss schon ein äußerst braves Kind gewesen sein, dass mir nur leider keine Streiche einfallen wollen; naja, außer den mit den Haustürklingeln unbescholtener Bürger.


Also habe ich die beiden heimlich in die Küken-Aufzuchtsstube meiner Eltern geschleust um diese Fotos zu machen; sie konnten sich benehmen.



(Tierschutz-konforme Fotomontage...)


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Das ist Rose O'Neill, geboren 1874, gelebt bis 1944. Sie war eine amerikanische Künstlerin und "Queen of Kewpies", die es als erste Frau ihrer Zeit vermochte, nicht nur künstlerisch, sondern auch kommerziell überaus erfolgreich zu sein. Dieses Foto stammt aus dem Jahre 1907; kaum zu glauben...


Rose war eine kinderlose Frauenrechtlerin, die nach zwei Ehen eben im Jahre 1907 beschloss, ihr weiteres Leben bindungsfrei zu bestreiten. Es ist ihr hervorragend gelungen!



Samstag, 15. Januar 2022

Na, dann woll'n wir mal...

 Wir schreiben das Jahr 2022. Gerade erst haben wir das Fest der Liebe gefeiert, die Stille der Heiligen, diesmal verschneiten Nacht genossen, da hat das neue Jahr schon wieder an Fahrt aufgenommen... natürlich gebremst Dank des immer noch grassierenden Bremskeils in Virus-Form...

Ein seit nunmehr einigen Jahren aufkommender Anfall von Tatendrang will sich in diesem Januar nicht einstellen. Wann immer der Dreikönigstag am 6. Januar das Ende der Weihnachtszeit einläutete, all die schöne Dekoration für die nächsten Monate in unzähligen Kisten verschwand, das traurige Etwas des gerade noch prächtigen Christbaumes den Flammen der Feuerschale zum Opfer fiel, überkam mich diese gewisse Schaffenskraft, etwas zu basteln, bauen oder zu kreieren. Einfach die Leere der Zeit nutzen und der dunklen Jahreszeit einen Inhalt geben.

So stammen sämtliche zum Hobby gewordene Projekte, wie das Einrichten meines Puppen- und Spielzeugmuseums, der Bau von Puppenhäusern und Kaufmannsläden, aber auch solch profane Dinge wie Badsanierung oder Renovierungen bei mir aus den Anfängen eines Jahres.

Aber in diesem Jahr...nichts. Keine Idee, kein Plan. Nichts, was es zu Erschaffen gibt. 

Also mache ich das Beste daraus und nutze die kostbare Zeit für ein paar Inszenierungen vor der Kamera. Mit Puppen natürlich! Und bis ich die neuen Fotos im Kasten habe, hier ein paar "Urlaubsbilder" aus dem vergangenen November. 



Im Vorfeld meines "runden" Geburtstages ging es nach Berlin. Ostberlin, natürlich. Hier erwartete mich als Vorab-Geschenk ein Besuch im legendären "Clärchens Ballhaus"! Eine Institution für einsame Herzen und Tanzwütige seit 1913; sie haben uns trotzdem reingelassen...



"Clärchens Ballhaus" trotzt den Wirren der Zeit mit morbider Schönheit. Nichts scheint sich hier verändert zu haben. Abgetakelte Fassade eines Berliner Hinterhauses, dessen Vorderhaus im zweiten Weltkrieg zerbomt worden war; auf dem einstigen Grund des Vorderhauses kann man sich nun auf Biergarten-Gestühl die Kante geben. Auch im Inneren des Ballhauses nimmt einen die Geschichte in Beschlag. Unverspachtelte Wände, Ofenheizung, altes Gestühl und eine Bedienung, die an Herzlichkeit und überbordendem Service ebenfalls aus der Zeit zu fallen scheint.



Weiter ging es auf Zilles Spuren. Im besonderen Maße huldigt man ihm im Nikolai-Viertel, der Replike eines alten Stadtteils im Herzen von Berlin, welcher im Jahre 1987 zur 750 Jahr-Feier von Planern und Werktätigen der DDR neu erschaffen worden ist. Das Viertel hat sicher schon bessere Zeiten erlebt, versucht mit architektonischer Ostmoderne sein ruhiges Inseldasein inmitten der pulsierenden Stadt zu behaupten; ich mag es.



"Zilles Milljöh"


Hier war der Wunsch Vater des Gedanken. Einmal in den berühmten Friedrichstadtpalast! Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Wir kommen wieder!


So. Nun aber an die Arbeit! Ich muss was tun!

Sonntag, 5. Dezember 2021

Tausend Sterne sind ein Dom

 Welch schönes Lied zur Weihnachtszeit! Ich habe es bis vor ein paar Jahren gar nicht gekannt, bis mein Bruder, erfüllt von höchstweihnachtlichen Eindrücken von seiner alljährlichen Reise nach Dresden, diese Komposition aus dem Jahre 1946 mit nach Hause brachte. Mein Bruder verbringt seit Jahren die Zeit um den Heiligen Abend in Dresden. Alleine. Für ihn ist es eine seelische Offenbarung, jedes Jahr aufs Neue. Dank diesem immer noch wütenden C-Virus ist es ihm jedoch auch in diesem Jahr zum zweiten Mal nicht vergönnt...

So steht uns wieder ein Weihnachtsfest im Kreise der ganzen Familie ins Haus. Was mein Bruder zerknirscht erdulden muss, erfreut seine Kinder, unsere Eltern und auch mich doch sehr; er wird es überleben. 

Im vergangenen Jahr musste unsere Familie von acht lieben Menschen Abschied nehmen; es scheint kein Ende nehmen zu wollen... Die heile Welt verliert so langsam ihre Unschuld. So schätze und genieße ich das Beisammensein und auch Zusammenrücken derer, die mein Leben begleiten, um so mehr. 

Gerade zu dieser Zeit nimmt man all die Dinge, die einem schmerzlich vor Augen führen, dass das Leben auch mit Verlust in jeglicher Hinsicht einhergeht, um einiges emotionaler wahr. Da ist es gut und heilsam, sich der schönen Erinnerungen zu bedienen, die einem niemand nehmen kann und liebe Menschen ewig leben lässt.

Wenn es auch gerade wenig zu feiern gibt, genießen wir die schönen Momente, die sich bieten und bieten werden. Lassen wir all unsere Begegnungen und Erinnerungen an unserem Leben teilhaben und sie damit unsterblich machen!

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Diese Puppe hat mir Gudrun, meine Cousine, gerade erst zum Geburtstag geschenkt. Sie hatte sich dieses Puppenmädchen auf einer Irland-Reise gekauft und ihr all die Jahre ein Zuhause gegeben. Nun ist Gudrun vor drei Tagen von uns gegangen. 

Deine Puppe werde ich in Ehren halten, Gudrun!


Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr!

Samstag, 30. Oktober 2021

1000 kleine Dinge

 ...machen erst das Leben schön... So beginnt ein alter Konsum-Werbefilm aus den 60er Jahren der DDR. Er bewirbt eine Produktpalette, die im Alltag unentbehrlich war. Dazu gehörten Haushaltswaren, Nägel und Schrauben, Knöpfe und Töpfe, einfach all die Dinge, die in einem gut geführten Heim nicht fehlen durften.

In meinem Heimatort gab es gleich zwei solcher Geschäfte, nur eines war jedoch unter dem Namen "1000 kleine Dinge" geläufig. Eine Art Urform des Baumarktes, in dem es auch Fahrräder und Kinderwagen zu kaufen gab. Dieses Geschäft befand sich in einem schon damals abrissreifen Altstadthaus, welches all die Nägel und Schrauben aus dem Sortiment selbst am nötigsten gebraucht hätte.... Es steht noch heute...

Nun habe ich mir in den letzten Jahren im Rahmen meiner Sammelwut für Spielzeug und Alltagsgegenstände aus der DDR ein kleines "Nebenbei-Hobby" zugelegt. Kaufmannsläden! Einst von Kindern begehbare Mini-Geschäfte, die ich mit all den Dingen aus vergangenen Zeiten bestücke, meinen 1000 kleinen Dingen.


Gänzlich unbescheiden (...) könnte ich mich als Besitzer mehrerer gut sortierter Handels-Einrichtungen profilieren. Es gibt eine Apotheke, ein Schreibwarengeschäft, einen Konsum mit Waren des täglichen Bedarfs, eine Drogerie, ein Schokoladengeschäft und neuerdings auch einen Intershop! Hätte ich mehr Platz, würde ich weiter expandieren... 



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So bin ich weiter unterwegs und angetrieben, all die Dinge, welche einst unser Leben mehr oder weniger begleiteten, zu erwerben, zu sammeln und in Szene zu setzen; es macht einen Heidenspaß und versetzt jene, denen ich alles zeigen kann, wie auch mich stets in freudige N(O)stalgie.


Dienstag, 7. September 2021

Kein schöner Sommer

 Eigentlich sollte dies mein letzter Eintrag in diesem Blog sein; habe das Verfassen so einige Wochen vor mir hergeschoben. Zunächst war ich eigentlich nur sauer, dass der Anbieter dieser Plattform ohne Ankündigung bzw. Vorwarnung so einfach mein kleines Gästebuch samt Inhalt entfernt hatte (künftig solle man für die Bereitstellung bezahlen...). Ich hatte all die lieben Worte nicht einmal für mich sichern können. 

Dann musste ich mich im Juli von meiner  sanftmütigen Wegbegleiterin Boogie verabschieden. Allein der Gedanke im Vorfeld, sie irgendwann verlieren zu können, hat mir stets Tränen in die Augen getrieben; nun war es soweit, trauriger, als befürchtet. Boogie war am Ende so schwer erkrankt, dass ich sie gehen lassen musste. Ich habe sie bis zur letzten Sekunde ihres Lebens begleitet, meine treue Samtpfote ist in meinen Armen eingeschlafen. 

So konnte ich diesem Sommer herzlich wenig abgewinnen. Selbst das Wetter zeigte sich solidarisch. Aber es gibt liebe Menschen, die einen aus der kleinen unheilen Welt herausholen. Liebe Worte von und mit Gleichgesinnten sowie ein wunderschöner Urlaub im Thüringer Wald ließen mich auf andere Gedanken kommen. Es ist mit jedem Tag ein bisschen besser geworden. 

Genug Trübsal geblasen. Am Ende sind es all die schönen Erinnerungen, die uns auf dem Lebensweg so vertraut begleiten, die uns niemand nehmen kann! Und ist es nicht der Ursprungsgedanke dieses Blogs gewesen, die Erinnerungen hochzuhalten? In diesem Sinne lasse ich ihn noch bestehen. So lange, wie es noch Anekdoten zu erzählen und mit Puppen bebilderte Geschichten zu zeigen gibt, oder er irgendwann der Löschung  durch den Anbieter dieser Plattform zum Opfer fällt.

Sonntag, 13. Juni 2021

Kundi

 Kundi war der "Gesundheitsapostel"aus dem Deutschen Hygiene-Museum in Dresden. Bewaffnet mit einem Zauberfernrohr hatte er stets gesundheitliche Verfehlungen der DDR-Kinder im Blick und warb um Einsicht und Wohlverhalten.

Das kleine Männchen fand man seit Ende der 50er Jahre in Zeitschriften, Trickfilmen, Kalendern und in Form verschiedenster Werbeartikel. Die Wende hat Kundi dann nicht überlebt. Seine Überwachungsmethoden und der sogenannte Blick durchs Schlüsselloch hätten eine Verbindung zur einstigen Staatssicherheit der DDR assoziieren lassen, was meiner Meinung nach an Hysterie grenzt.

So habe ich mir meinen eigenen Kundi geschaffen, welcher im Folgenden auf das Fehlverhalten junger Erdenbürger hinweist. Könnte auch heutzutage noch für einige von Nutzen sein...


"Lässt man im Garten mal die Harke liegen,
siehst bald schon Du die Sterne fliegen!"


"Lief beim Schwimmenlernen etwas schief,
ist selbst der Gartenteich zu tief!"


"Was der Kundi gar nicht rafft,
wenn irgendjemand Tabak pafft!"


"Tritt tollkühn man in die Pedalen,
muss er mit Zahnverlust bezahlen!"


Eigentlich schade, dass es dieses Maskottchen nicht mehr gibt, zumal sich das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden bis heute großer Beliebtheit erfreut. Aber so erging es letztendlich allen Maskottchen aus der DDR: Dem Minol-Pirol, dem Leipziger Messemännchen, dem IGA-Florinchen, dem Tele-Lotto-Männchen, und, und, und.