Sonntag, 21. Februar 2021

Unerwartet Winter!

 Kaum zu glauben, aber es gibt ihn doch noch: Schnee im Winter! Und zwar so richtig! 


Schneeflocken, so groß, dass man versucht ist, sie als erwachsener Mensch wie zu Kinderzeiten mit der Zunge einzufangen. Schnee, so viel, dass man aus dem Fenster des eingeschneiten Hauses schaut und erkennt, dass der Weg nach draußen unmöglich erscheint. Schnee, so mächtig, dass er die so wichtig gewordene Mobilität zum Erliegen bringt. Schnee, so schön, dass es eine wahre Freude ist, ihn mit all seiner Pracht im Bilde festzuhalten.




Wintersport der Extraklasse...



Es dauerte einige Zeit, bis die Kufen der Schlitten ihren Rost der letzten ungenutzten Jahre an den Schnee abgaben...



Auch wenn der Zauber kaum zwei Wochen die grau-triste Natur zum Strahlen brachte,  hinterließ er doch ein Staunen über die Wunder einer weißen Winterwelt. Und das nächste Wunder der Natur steht schon in den Startlöchern: Der Frühling mit all seiner Pracht und Hoffnung!


Montag, 1. Februar 2021

Briefe aus Ufa

 Neulich stieß ich bei meiner fortwährenden Suche nach (Er-)Zeugnissen vergangener Zeiten auf ein Plakat von 1979, welches in das Dresdner Museum für Volkskunst zur Ausstellung von "Spielzeug aus der Sowjetunion" einlud. Wieder einmal nicht wissend, wohin mit diesem viel zu großen Bild, erwarb ich selbiges und es erwachte mein Interesse an Spielzeug aus der einstigen Sowjetunion.

Hatte ich mich bisher wenig für die Dinge des vermeintlichen Bruderlandes interessiert, stieß ich auf liebevoll und farbenfroh gestaltete Objekte, die Kinderaugen einst zum Leuchten gebracht haben. Erneut ward der Paketbote ständiger Gast an heimischer Adresse...

Ich glaube, dass sich jeder, der in der DDR groß geworden ist, an die wunderschön gestalteten Verpackungen sowjetischer Süßigkeiten erinnern kann, wenngleich der Inhalt nicht immer dem ostdeutschen Gaumen schmeichelte. Die Bilder zeigten märchenhafte Geschöpfe und typisch russisch anmutende Szenen, die einem ein warmherziges und traditionsreiches Land suggerierten.


Wir Kinder der bildungsorientierten DDR haben so einiges mit auf dem Weg bekommen, so auch die russische Sprache in Wort und Schrift. Sie verhieß Anerkennung und Bekenntnis zum Heimatland, obwohl wir schon damals erkannten, dass unsere Zukunft nicht gen Osten ausgerichtet sein würde.

Unsere Klassen- und Russischlehrerin, der wir auch die Flugreise nach Kiew verdankten (meine Geschichte von April letzten Jahres), brachte eines Tages Briefe sowjetischer Kinder mit in die Schule. Jeder, der ansatzweise des Russischen mächtig war und es in der Schule zu etwas bringen wollte, ließ sich einen dieser Briefe aushändigen, was auferlegterweise eine Brieffreundschaft zur Folge haben sollte. Deutsch-sowjetische Freundschaft in Reinkultur, der ich nur zu gerne beiwohnen wollte.

So kam ich in den stolzen Besitz eines bis dahin nie gesehenen Briefumschlages, der neben der kyrillischen Schrift so wunderschön bunt und vollgepackt mit noch schöneren Bildern und natürlich einem liebevoll gestalteten Schreiben nebst Verfasser-Foto ausgestattet war. Diesen Brief hatte Lena aus Ufa, einer Stadt westlich des Ural, geschickt. Lena war eine typisch russische Schönheit mit langen schwarzen Haaren, welche am Oberkopf mit einer riesigen Tüllschleife gebunden waren.

Nun war ich seinerzeit eine recht gute Schülerin, auch bereitete mir das auferlegte Schulrussisch keine Probleme, aber hier kam auch ich an die Grenzen russischer Umgangssprache und individuellem Schriftbild. Lena schrieb viel und selbst für den Geschmack meiner Russischlehrerin recht undeutlich; auf russisch versteht sich...

Ich muss meinen Eltern damals ziemlich auf die Nerven gegangen sein, denn alsbald fand ich mich vor einer klingellosen Tür im lichtlosen Flur eines Altstadthauses meiner Heimatstadt wieder, in dem der pensionierte Russisch-Experte und Dolmetscher Ede Stahl wohnte. Herr Stahl war der einstige Russischlehrer meiner Mutter, ein alter Mann, dessen Optik und Wesen von der berüchtigten russischen Seele Besitz ergriffen hatten. Es war jedesmal ein Graus, den Gang zu Herrn Stahl anzutreten. Zwar konnte er Lenas Briefe größtenteils ins Deutsche übersetzen, am Ende überwog jedoch meine Angst vor ihm.

So ging das über eine heute nicht mehr zu beziffernde Zeit. Freute ich mich riesig, wenn wieder einmal ein mit Postkarten, Schokoladenbildern und endlos scheinenden Textzeilen gefüllter Brief seinen langen Weg zu mir fand, beließ ich meine in deutsch verfassten Antwortschreiben auf Grundlage schlechter Eigenübersetzung auf Angaben von Banalitäten und der Beigabe ostdeutscher Ansichtskarten. Vielleicht hatte Lena meine Briefe ja auch nie bis ins letzte Wort verstanden. 

Irgendwann schlief diese Brieffreundschaft sang- und klanglos ein. Guten Schülern wurde nun das Erlernen einer weiteren Fremdsprache ermöglicht: Englisch! Mit der Abschlussprüfung zum Ende meiner Schulzeit verbannte ich die russische Sprache aus meinem Kopf, so dass ich sie heute kaum noch lesen kann. Schade, eigentlich...


"Das war ich nicht!"
Burattino, das russische Pendant zum Flunkerjungen Pinocchio, mit seinem Freund Cipollino (Zwiebelchen).