Sonntag, 31. März 2019

“Vintage“

Eigentlich mag ich diesen “neumodischen“ Begriff für alles, was auf alt gemacht daherkommt, so gar nicht. Aber auch mir fällt dazu kein anderes Wort ein. Und ich muss zugeben, dass diese Art des Einrichten und Dekorierens genau meinen Geschmack trifft, wenn man es nicht übertreibt.


Vintage hat für mich eigene Farben: Cremeweiß, braun, sepia. Ein willkommenes Farbspektrum für alle Raucher... Es provoziert nicht, zaubert eine heimelige Atmosphäre und lässt einen glauben, dass die Welt vor über einhundert Jahren genau so aussah.


In den überschaubaren Gruppen von Sammlern alter Puppen sind Vintagelook und  -farben ein absolutes Muss, stammen die Protagonisten doch größtenteils aus eben dieser Zeit.


Mit diesen Porzellankopfpuppen, alter Wäsche, der richtigen Beleuchtung und einer einigermaßen guten Kamera bekomme dann sogar ich das eine oder andere “Vintage-Bildchen“ geschossen.


Als Vorlage braucht es wenig Fantasie, bedient man sich alter Bilder von Kleinkindern aus den Anfängen der Fotografie, welche herrschaftlich in Szene gesetzt auf Papier und Pappe verewigt wurden.



Mal kein thüringer Puppenmädchen: Ein großes “Moppelchen“ aus dem oberfränkischen Burggrub.


So sah das Frankenmädchen zuvor aus: Ich habe ihr die Haare (Echthaar) gerichtet, die zu vollen Wimpern gestutzt und eine neue Zahnleiste verpasst.


Diese Puppe in Originalkleidung habe ich kürzlich in einem Berliner Trödelkaufhaus erstanden. Die erste Babypuppe aus der Sonneberger Puppenfabrik, die in der frisch gegründeten DDR auf dem Markt kam. Sie wurde nach einer Gussvorlage von Armand Marseille, einem “Puppenmacher“ aus früheren Zeiten, hergestellt und war vielen kleinen Mädchen der damaligen “Epoche“ eine treue Begleiterin.

Sonntag, 3. März 2019

Das erste Zuhause

Von Beginn an wird der Mensch durch Eindrücke, Erlebnisse und Begegnungen geprägt; zu den ersten Eindrücken gehört dabei ohne Zweifel das erste Zuhause. Der Ort, wo das Abenteuer Leben begann, man sich sicher und geborgen fühlte, die ersten Entdeckertouren nicht selten hinter einer der unzähligen Schranktüren endete, wo es nach leckerem Essen roch, zu Weihnachten nach Plätzchen, wo in behaglicher Enge fast jedes Familienfest stattfand, es mal laut, mal leise zuging, gespielt, gelacht und geweint wurde; ein Hort voll Erinnerungen einer heilen Welt.

Nun hatte ich nach sage und schreibe 35 Jahren das große Glück, noch einmal das Haus und die Wohnung betreten zu dürfen, in dem ich die schönste Zeit meines Lebens verbracht habe: Meine Kindheit!


Ein “6 WE“ (sechs Wohneinheiten), erbaut im Jahre 1968. Meine Eltern, die im selben Jahr geheiratet hatten, waren seinerzeit heiße Anwärter auf eine der begehrten Wohnungen. Um dieser Anwartschaft Nachdruck zu verleihen, durfte Papa in Form von “Aufbaustunden“ an der Erbauung des Hauses mitwirken. Ein Hoch auf den Sozialismus!


Hier haben wir bis 1984 gewohnt und gelebt (oben links), bis Anspruch und Platznot ein neues Domizil von Nöten machten.


Man mag es kaum glauben, aber dieses Gebäude befindet sich seit unserem Auszug noch nahezu im Originalzustand. Fenster, Fassade, Kachelöfen, Elektrik, ja selbst der Geruch im Treppenhaus haben die Wirren der Zeit überdauert.

Nun ist es fast leergezogen, hat seit kurzem einen neuen Besitzer, wird ganz bald sein altes, vermeintlich unschönes Gesicht verlieren, um topmodern saniert im neuen Glanze zu erstrahlen. Was bleibt, sind die Erinnerungen. Und ein paar Fotos, die ich dank der Beziehung meines Bruders zum neuen Besitzer machen durfte.


Unser Kinderzimmer um etwa 1982. Trotz der schlechten Bildqualität erkennt man unschwer meinen Hang zu Puppen; alle hier abgebildeten befinden sich noch immer in meinem Besitz. 


Selbes Zimmer, gleicher Blickwinkel, neue Zeit.


Heute unvorstellbar, aber damals das Normalste der Zeit: Tagtägliches Befeuern der beiden Kachelöfen in Kinder- und Wohnzimmer an kalten Tagen, mit resultierendem Schleppen von Holz, Kohle und Asche in und aus der dritten Etage. Sport frei!


Silvesterabend 1982. Dieses Foto habe ich damals mit meinem zuvor vom Weihnachtsmann gebrachten Fotoapparat “Beirette“ geschossen. Im Hintergrund der gute alte Kachelofen. Und der von einer alten Dame geknüpfte Wandbehang, welcher heute mein Nostalgie-Zimmer ziert.


Noch trotzt der Zwei-Meter-Koloss im bemerkenswert guten Zustand in der einstigen Wohnstube. Doch seine Tage sind gezählt; die komplette obere Etage des Hauses soll abgebrochen werden...


An diesem Ofen haben wir uns an kalten Tagen gewärmt; war es besonders schuppig, wurden vor dem Zubettgehen unsere Federbetten daran schlummertauglich gemacht. In der Röhre wurden Speisen oder Tee warmgehalten, ab und zu entsprang ihr auch ein Bratapfel.

Ich war in diesen Tagen zweimal in “unserem“ Haus; bin es noch einmal mit meiner Mutter und meinem Bruder durchschritten (für Papa gab es ein Video per Whatsapp...). Jedem von uns fielen fast vergessene Anekdoten zu den einst mit Leben gefüllten Räumen ein. Eine wunderbare Gelegenheit, die sich sicher nie mehr bieten wird.


Fundstücke...


... drei Zeitungen und der Deckel eines Schuhkartons (auf dem handschriftlich der Nachname meiner Oma gezeichnet ist!) sind die einzigen Relikte, die sich noch finden ließen. Werde sie gebührend archivieren.